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Mentorenschulung am Stadtmedienzentrum Stuttgart

Typische Elternfrage: Soll ich die Mediennutzung fördern oder begrenzen?

Instagram-nutzende Kindergarten-Kinder, exzessives Online-Spielen oder der ganz alltägliche Streit um die Smartphone-Nutzung – das sind nur ein paar der Erfahrungen, die Stuttgarter Eltern machen, wenn es rund um die digitalen Medien geht. Beim Eltern-Medienmentoren-Programm lernen sie damit umzugehen und helfen anderen Eltern dabei, Lösungen zu finden.

Dreizehn Erwachsene starteten am 15. November 2019 im Stuttgarter Stadtmedienzentrum ihre fünftägige Ausbildung als Eltern-Medienmentorin und -Mentor. Zum Thema „Kinder und Medien“ hatten die Teilnehmenden gleich zu Beginn viele Fragen im Gepäck. Manche Sorgen und Nöte hätte man ebenso gut vor zehn Jahren hören können. Manche Anliegen der Eltern zeigen aber, wie stark sich die Mediennutzung in den letzten Jahren gewandelt hat.

Mediennutzung – fördern oder begrenzen?

Das häufigste Anliegen der Eltern kam gleich zu Beginn: Eine Mutter im Tischkreis will wissen, wie sie die Smartphone-Nutzung ihrer Tochter begrenzen kann und ob sie das überhaupt soll. Sie spricht von „Kontrolle“ und „Vertrauen“ – den beiden Handlungsoptionen, deren Einklang so schwierig scheint. Eine andere Teilnehmerin formuliert den Widerspruch so: „Medien sind ja heutzutage so wichtig. Die heutige Generation muss das können. Aber wie soll ich die Mediennutzung gleichzeitig begrenzen. Was ist dabei meine Aufgabe als Mutter?“

Eine weitere Teilnehmerin kennt das Problem. Sie möchte, dass ihr achtjähriger Sohn gezielt den Umgang mit Medien lernt. Sie erlaubt ihm, mit dem iPad auf YouTube und Vimeo Filme anzuschauen -  obwohl es sich zeitweise „nicht ganz gut anfühlt“ und sie nicht sicher ist, ob die Mediennutzung „in die richtige Richtung geht“, wie sie sagt. Sie tut sich damit schwer, „Freiheiten zuzulassen, während gleichzeitig die Gefahr besteht, dass problematische Inhalte entdeckt werden“. Durchs Eltern-Medienmentoren-Programm will sie jetzt mehr Sicherheit erlangen, mit dieser Diskrepanz umzugehen.

Eltern wollen die Schulen unterstützen

Manche der Teilnehmenden äußern, dass sie sich in Sachen Medien von den Schulen ihrer Kinder Unterstützung erhofft hatten – und teilweise enttäuscht wurden. Warum sie manchen Lehrkräften „eine gewisse Hilfslosigkeit“ unterstellen, zeigt das Beispiel eine teilnehmenden Mutter: „In der fünften Klasse mussten die Kinder ihre WhatsApp-Gruppe löschen, weil darin verschiedene Konflikte ausgetragen wurden. Und in der sechsten Klasse macht dieselbe Lehrerin eine Einführung, wie man den PC einschaltet und das Betriebssystem funktioniert“. Die Eltern wollen aber nicht den schwarzen Peter den Schulen zuschieben, sondern helfen, die Situation zu verbessern. So können sich einige der angehenden Eltern-Medienmentoren vorstellen, künftig Workshops oder Vorträge für Schülerinnen und Schüler anzubieten.

Mediensucht erkennen und handeln

Eine der Teilnehmerinnen „hat durch Familienberatungsstellen mitbekommen, dass Handysucht zunehmend zu einem Problem wird“. Sie berichtet von Fällen in Stuttgart, bei denen Kinder aufgrund ihrer Handynutzung therapiert werden. „Das macht mir Angst“, erklärt sie vor allen Anwesenden. Sie wollte ihren beiden Söhnen – einem Acht- und einem Zehnjährigen – das Handy bei Zugfahrten erlauben. Nach einer gut verlaufenen Einführungsphase wollte sie die Handynutzung ausweiten und sich dabei strikt an die entsprechenden Medienzeiten – für den Jüngeren eine halbe Stunde täglich und für den Älteren 45 Minuten – halten. Das Ergebnis schildert sie so: „Es war fürchterlich. Dieses Suchtverhalten. Wir hatten nur noch Streit zu Hause. Ich habe dann die Reißleine gezogen und es gab gar nichts mehr.“ Mittlerweile gestaltet sie die Handynutzung sehr selektiv und erlaubt ihren Söhnen nur ausgewählte Spiele auf Fahrten mit der Bahn. „Der Kampf, den man da aussteht, macht so viel kaputt. Und eigentlich möchte ich ein gutes Verhältnis zu meinen Kindern“, schlussfolgert sie.

Ein Vater in der Runde erzählt von seinem 14-jährigen Sohn, dass er „extrem viel Zeit beim Online-Spielen verbringt“, sich stark zurückzieht und „nicht mehr selbst seine Spielzeit regulieren kann“. Der Vater will jetzt wissen, ab wann man von einer Sucht sprechen kann. Technische Einschränkungen auf dem Smartphone hätten – als seine Kinder jünger waren – noch geholfen. „Das geht aber bei einem 14-Jährigen nicht mehr. Der will auch sein Privatleben haben“, schildert er. Dennoch möchte er wissen, wie er die Mediennutzung regulieren kann. Bislang haben keine der Maßnahmen gefruchtet. „Wir haben alles versucht und alles scheitert irgendwann. Das entwickelt sich zum Katz-und-Maus-Spiel und die heben die Sperren wieder auf.“, berichtet er aus dem Familienalltag.

Medienkompetenz ist nicht gleich Gerätekompetenz

Eine Teilnehmerin der Mentorenausbildung war bereits beim Safer Internet Day 2019 zu Gast. Hier erfuhr sie, dass „Medienkompetenz nicht gleich Gerätekompetenz ist“. Dies machte sie stutzig, da sie ihrem Sohn – einem Zweitklässler – eine hohe Gerätekompetenz bescheinigt. Der sei mit dem Tablet bereits ganz schnell unterwegs. Nun will sie wissen, wie sie die Medienkompetenz fördern kann. Neben dem „Bedienen und Anwenden“ gehören zur Medienkompetenz auch „das Informieren und Recherchieren, Kommunizieren und Kooperieren, Produzieren und Präsentieren, Analysieren und Reflektieren, sowie Problemlösen und Modellieren“.

Der Wunsch der Eltern, dass die Mediennutzung möglichst pädagogisch wertvoll ist, schimmert auch in der Vorstellrunde durch. Ein Vater möchte wissen, „wie die Kinder lernen können, in dieser neuen Medienlandschaft, einen guten Nutzen daraus zu ziehen.“ Daran koppelte er die Frage, welche Angebote existieren, um Kinder „altersgerecht in diese Medienwelt einzuführen“. Einen Stuhl weiter interessiert sich seine Frau dafür, wie Kinder analytisches Denken lernen können, um Fake News zu erkennen.

Mediennutzung im Kita-Alter

Eine Teilnehmerin ist Praxisberaterin in zwei Kitas und zusätzlich Elternbegleiterin. In dieser Funktion stellt sie häufig fest, wie stark sich die Mediennutzung der Kinder in den einzelnen Familien unterscheidet – von Familien, die nur begleitete Mediennutzung erlauben bis hin zu Familien, bei denen die Kinder bereits in sozialen Netzwerken unterwegs sind. Im Kindergarten-Alter wohlgemerkt. Eine weitere Teilnehmerin ist Erzieherin und berichtet, von einem Medien-Projekt der Stadt Stuttgart, bei dem die Kinder mithilfe von Tablets kleine Animationsfilme produzieren. Bei dem Projekt stellt sie leider ein Vakuum zwischen dem medien-gestalterischen Ansatz und der Medienrealität der Kinder fest: „Wir machen mit den Kindern also digitale Daumenkinos. Gleichzeitig haben wir Kinder, die bereits einen Instagram-Account haben. Die sind also schon viele Schritte weiter in ihrer Mediennutzung.“ Sie bemängelt, dass manche Eltern „einen sehr laxen Umgang mit den Medien haben“ und will wissen, wie man an die Eltern rankommt.

Im Laufe der Ausbildung werden die Eltern viele Tipps und Tricks lernen, wie sie eigenständig mit den medienerzieherischen Fragen umgehen können. Bereits am ersten Tag tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander aus. Zu wissen, dass man mit den Fragen nicht alleine dasteht, ist für viele ein Ansporn, nach neuen Lösungen zu suchen.

Über das Eltern-Medienmentoren-Programm

Das Eltern-Medienmentoren-Programm ist ein unterstützendes Angebot für Eltern, um Medienerziehung in der Familie zu erleichtern. Es hat zum Ziel:

  • Eltern zu informieren und zu qualifizieren,
  • sie in der Ausübung von Medienerziehung zu unterstützen und zu stärken,
  • die Kommunikation in der Familie zu fördern und damit
  • einen Beitrag zum präventiven Jugendmedienschutz zu leisten.

Wenn Sie ebenfalls Interesse an einer solchen Informationsveranstaltung haben, können Sie sich an die medienpädagogische Beratungsstelle des LMZ wenden. Dort vermittelt man gerne eine Referentin oder einen Referenten – für Ihr Vorhaben, das zeitlich und thematisch ganz auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt werden kann.

0711-2850-777, beratungsstelle@lmz-bw.de

Dort hilft man Ihnen auch gerne bei Medienerziehungsfragen weiter.

Das Eltern-Medienmentoren-Programm ist Teil der Initiative Kindermedienland Baden-Württemberg und wird vom Landesmedienzentrum Baden-Württemberg im Auftrag des Staatsministeriums Baden-Württemberg durchgeführt. Das Ziel der breit angelegten Initiative der Landesregierung ist es, die IT- und Medienkompetenz von Kindern, Jugendlichen, Eltern und anderen Erziehungsverantwortlichen im Land zu stärken. Mit der Initiative werden die zahlreichen Projekte, Aktivitäten und Akteure im Land gebündelt, vernetzt und durch feste Unterstützungsangebote ergänzt sowie eine breite öffentliche Aufmerksamkeit für die Themen Medienbildung und -erziehung geschaffen. Träger sind neben der Medien und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG) die Landesanstalt für Kommunikation (LFK) und das Landesmedienzentrum (LMZ).

Kontakt

Lisa Gröschel
groeschel@lmz-bw.de 
0711 / 2850 - 778